Berichte


Ansprache des PhX anlässlich des Festkommerses zum 100. Stiftungsfest am 04.06.2010 auf der Godesburg


Hohes Präsidium,
verehrte Gäste,
liebe Farben-, Kartell- und Bundesbrüder,

als Philistersenior einer Studentenverbindung ergeben sich im Laufe einer Amtszeit diverse Anlässe Ansprachen zu halten, sei es zu Semesterantritts- oder -abschlußkneipen, Stiftungs- und Gründungsfesten, akademischen oder familiären Feiern, besinnlichen wie fröhlichen Veranlassungen. Indes dürften nur wenige die Gelegenheit haben, anlässlich eines so herausragenden Ereignisses wie das eines 100. Stiftungsfestes das Wort ergreifen zu können. Und so empfinde ich es auch als eine besondere Ehre und ich bin auch ein wenig stolz, mich nunmehr mit einigen Gedanken zum 100 jährigen Bestehen unserer KDB Sigfridia an Sie und Euch wenden zu dürfen.

100 Jahre Sigfridia – das bedeutet auch 100 Jahre Bestehen unter politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, wie sie gegensätzlicher und ereignisreicher kaum sein konnten: Gegründet 1910 noch zu Zeiten eines Deutschen Kaisers, Überstehen des 1. Weltkrieges, Aufblühen in Zeiten der Weimarer Republik, schwierigste Zeiten und Untergang unter der Nazi-Diktatur und die Katastrophe des 2. Weltkrieges, Wiedererstarken in Zeiten des Wirtschaftswunders, Teilung des deutschen Vaterlandes und Ost-West Konflikt, Studentenrevolten der ’68er Jahre, wirtschaftliche Prosperität, RAF Terrorismus, Fall der Mauer und Wiedervereinigung und unsere heutige Zeit, die als Informationszeitalter bezeichnet wird und in einer globalisierten Welt ungeahnte Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten eröffnet.

Wie kann es dann sein, dass eine Gemeinschaft, wie sie unsere Korporation darstellt, all dieses durch- und übersteht und heute ihren 100. Geburtstag feiert? Nun, ich meine, dass eine Erklärung in den drei Grundprinzipien zu sehen ist, die seit jeher gelten und die da lauten: Virtus, Scientia, Amicitia. Diesen Prinzipien ist unsere Korporation seit ihrer Gründung bis zum heutigen Tage treu geblieben. Lassen Sie mich hierauf im Folgenden kurz eingehen:

Zum ersten Begriff: Virtus
Eine einfache Übersetzung mit Begriffen wie „Tugendhaftigkeit“, „Mannhaftigkeit“ oder „Wehrhaftigkeit“ trifft die Sache nicht ganz. Es ist vielmehr eine Mischung aus alledem und wir Sigfriden meinen mit „virtus“ insbesondere das Engagement für unsere Gemeinschaft, den persönlichen Einsatz für die uns selbst gesteckten Ziele und die Wahrung unserer Werte.
Es hat stets und zu allen Zeiten, seien sie nun schwer oder weniger anstrengend gewesen, Bundesbrüder gegeben, die sich mit außergewöhnlichem Einsatz für die Ziele unserer Korporation eingesetzt und sie durch alle Tiefen und über Höhen geführt haben – mal an vorderster Stelle, mal – aber deshalb nicht weniger wirksam – im Hintergrund. Stellvertretend für die vielen, die im Lauf der Jahrzehnte in diesem Zusammenhang zu nennen wären, möchte ich aus der jüngeren Zeit an dieser Stelle nur vier Namen nennen:

Da wäre zunächst unser hochverehrter jetziger Ehrenphilistersenior Dr. Dr. Franz Josef Klassen v/o Römi, der allein über drei Jahrzehnte, um genau zu sein: 32 Jahre lang , die Charge des Philisterseniors unserer Verbindung ausgefüllt hat. Was dies bedeutet werden am allerbesten diejenigen Farben-, Kartell- und Bundesbrüder ermessen können, die selbst einmal in dieser Funktion Verantwortung für eine Korporation getragen haben oder noch tragen.

Sodann möchte ich Bundesbruder Dr. Günter Kofferath v/o Cicero erwähnen, der sich nahezu ebenso lange um die Verwaltung des Sigfridenheims in hervorragender Weise gekümmert hat und stets die Belange des Sigfridenhauses nach innen und außen vertreten hat.

Besonderer Erwähnung bedarf auch das Engagement von Bundesbruder Franz Gelhaus v/o Fietje, der, seit vielen Jahren auch als Con-Philistersenior Sigfridiae, immer dann zur Stelle war und ist, wenn es etwas zu organisieren galt und der sich in vielfältiger Weise als Vertreter der Sigfridia im RKDB eingebracht hat.

Und last not least - und damit nenne ich bewusst auch einen Vertreter der jüngeren Generation unserer Verbindung - Bundesbruder Frank Hoffmann v/o Faust, der sich seit vielen vielen ausgesprochen zuverlässig und effektiv um die Quästur, also um die Kasse der Altherrenschaft, kümmert. Auch dies eine wenig öffentlichkeitswirksame, gleichwohl aber ausgesprochen wichtige und nicht immer leichte Aufgabe.

Eine Verbindung könnte nicht existieren und schon gar nicht ein Jahrhundert überstehen, wenn sich nicht Bundesbrüder immer wieder selbstlos und teilweise über lange Zeiträume so einbringen würden wie die gerade genannten. Selbstverständlich müsste diese Liste noch um viele weitere Namen wie Pirelli Veith, Baldur Oppermann, Bobby Kern, die Gebrüder Deutsch und Salzwedel und viele viele andere ergänzt werden, was aber die hier zur Verfügung stehende Zeit sprengen würde.

Daher auch schnell der Übergang zu dem zweiten Begriff: Scientia

Meine Damen und Herren, hochverehrte Festcorona, wir Sigfriden bilden eine akademische Verbindung. Wir sagen dies zwar mit Selbstbewusstsein, aber ohne dadurch den Anschein von Überheblichkeit erwecken oder gar elitär erscheinen zu wollen. Aber das bewusste Bekenntnis zu dem Prinzip der Scientia, der Wissenschaft, steckt den Rahmen unseres Tuns ab und ist Ansporn und Verpflichtung zugleich. Wir wollen den Mitgliedern unserer Korporation und unseren Gästen neben aller Fidulitas eine Informations- und Diskussionsplattform zu aktuellen Themen der Zeit bieten und damit dazu beitragen, nicht nur den eigenen Wissenshorizont über unsere erlernten Fachdisziplinen hinaus zu erweitern, sondern auch im allgemeinen gesellschaftspolitischen Engagement auf der Basis fundierter Kenntnisse bestehen zu können.
Und das geht schon seit der Zeit unserer Gründung so. Wenn man nur einmal die Semesterprogramme der letzten 30 Jahre Revue passieren lässt so wird man feststellen, dass wir Sigfriden im Laufe der Zeit zu allen nur denkbaren Themen Stellung bezogen und uns dazu in Veranstaltungen verschiedenster Couleur geäußert haben: Von „A“ wie Atomkraft über „D“ wie demographischer Wandel, „N“ wie Nato-Doppelbeschluß oder „R“ wie Renten bis „Z“ wie „Zukunftsperspektiven“, um nur einmal ein paar wenige Begriffe zu erwähnen.

Eine ganz hervorragende Rolle in diesem Kontext spielen natürlich die Wartburggespräche, die wir 20 Jahre lang und damit ein komplettes Fünftel der Zeit der Existenz unserer Sigfridia zusammen mit dem RKDB auf der Wartburg in Eisenach durchgeführt haben. Unmittelbar nach dem Fall der Mauer war es im April 1990 die spontane Idee unseres Ehrenphilisterseniors Römi Klassen, einen Europakommers auf der Wartburg durchzuführen und damit an historisch bedeutsamster Stätte ein öffentliches Bekenntnis zur deutschen Wiedervereinigung und zur Einigung Europas abzulegen. Daraus entwickelten sich dann in der Folge die Wartburggespräche, die in unnachahmlicher und unvergleichlicher Weise aktuelle Themen aus Politik, Wirtschaft, Kirche, Kultur und Wissenschaft aufgegriffen haben. Mehr als 6500 Besucher haben diese Veranstaltungen besucht und damit dazu beigetragen, den Dialog zwischen den Menschen in Ost und West zu beflügeln und sich nach 40 Jahren der Teilung gegenseitig besser kennen und verstehen zu lernen. Der sichtbarste Erfolg dieses Engagements war die Gründung eines „Eisenacher Ringzirkels“, der quasi einen „Außenposten“ unserer Bonner Korporationen in Thüringen bildet und dem mittlerweile neun Bundesbrüder angehören, von denen die meisten heute abend hier unter uns sind und die ich an dieser Stelle ganz besonders herzlich willkommen heiße.
Dass die Wartburggespräche zu dem wurden, wie wir sie alle kennen gelernt haben und dass sie für eine so ausgezeichnete Reputation unserer Sigfridia und des RKDB weit über die Grenzen unserer Heimatstadt Bonn gesorgt haben, das ist, ich erwähnte es, dem unvergleichlichen Engagement unseres Bundesbruders Dr. Dr. Römi Klassen zu verdanken. Er war es, der unermüdlich neue Themen, neue Referenten und nicht zuletzt auch immer neue Sponsorengelder hervorgebracht und organisiert hat. Für diesen vorbildlichen Einsatz wurden ihm folgerichtig das Bundesverdienstkreuz am Bande und – erst vor wenigen Monaten – der Thüringer Verdienstorden verliehen.

Mit dem Engagement auf der Wartburg ist das Eintreten für intellektuell anspruchsvolle Themen aber beileibe nicht beendet. In gewisser Weise finden die Gespräche, unter anderen Rahmenbedingungen, ihre Fortsetzung in den nun immerhin auch schon seit fünf Jahren regelmäßig durchgeführten „Kolloquien im Collegium Josephinum Bonn“, kurz CoJoBo. Im Zusammenwirken mit dieser renommierten Schule in kirchlicher Trägerschaft greifen wir ebenfalls aktuelle Themen auf und diskutieren diese insbesondere mit der Jugend. In diesem Zusammenhang darf ich –das ist jetzt der „Werbeblock“ – auf das nächste anstehende Kolloquium hinweisen, das am 17.Juni um 19.30 im CoJoBo stattfindet und in der Reihe „Zeitzeugen berichten“ Referenten zu Wort kommen lassen, die authentisch zu den Arbeits- und Rahmenbedingungen, unter denen Journalisten zu Zeiten der DDR arbeiten und leben mussten, berichten. Sie sind herzlich zur Teilnahme eingeladen.

Die Zeit eilt – daher nun zum dritten Punkt, der : Amicitia

Wer des Öfteren bei den Sigfriden war wird vermutlich schon mehrfach vernommen haben, dass wir Sigfriden uns stets als „große Familie“, eben als „Sigfridenfamilie“ empfinden und bezeichnen. Das kommt nicht von ungefähr. Eines der hervorstechendsten Merkmale unserer Korporation ist meinem Empfinden nach das harmonische Miteinander von Jung und Alt und die weitestgehende Einbeziehung der Familienmitglieder unserer Bundesbrüder in unser Korporationsleben. Dies gilt insbesondere für unsere Frauen und Partnerinnen. Diese sind eigentlich bei allen Veranstaltungen und Unternehmungen mit von der Partie, wenn man einmal von ganz wenigen Ausnahmen wie den Conventen oder Semesterantritts- und –abschlußkneipen absieht. Damit sind sie integraler Bestandteil unseres Korporationslebens und wir freuen uns nicht nur darüber, dass sie gerne und oft zu uns kommen, sondern sind vor allem auch dankbar für ihre Unterstützung.
Hiefür nur zwei Beispiele: Der Erfolg der seit über zehn Jahren durchgeführten „musikalisch-literarischen Abende“ ist zu ganz überwiegenden Anteilen dem Engagement der Familie Veith, namentlich Frau Ursula Veith und den Töchtern Anna-Christina und Katharina, zu verdanken. Auch dies ist ein Zeichen von „amicitia“.
Und das zweite Beispiel: Obwohl erst seit relativ kurzer Zeit über die Mitgliedschaft ihres Mannes Winand Krupp v/o Othello dabei, hat sich auch Frau Elsabeth Krupp schon verschiedentlich durch außerordentliches Engagement ausgezeichnet und unter anderem die Tischdekoration hergestellt, deren wir morgen bei unserem Festball im Hotel Königshof angesichtig werden.
Auch hier wären wieder viele viele weitere Namen wie Pauline Klassen, Dr. Inge Kofferath, Elisabeth Gelhaus, Leni Deutsch oder – Sie erlauben mir das zu sagen!? – meine Frau Susanne zu erwähnen, allein es reicht die Zeit nicht, alle aufzuführen, die es verdient hätten.


Der freundschaftliche Umgang der Sigfriden untereinander und mit den Kartellbrüdern des Ringes Katholischer Deutscher Burschenschaften wird natürlich auch erleichtert durch das freundschaftliche „DU“, dass jedem, der unserer Korporation oder der einer anderen unseres Verbandes beitritt, angeboten wird. So macht es keinen Unterschied, ob jemand Aktiver oder Alter Herr ist, Student oder Professor, welchen sozialen Status er einnimmt oder wie seine persönliche Befindlichkeit beschaffen ist. Wir sind alle Bundesbrüder und stehen für einander ein, in Freud und Leid, in guten wie in schlechten Zeiten. Manche, die vielleicht geneigt sind, die Aktivitäten unseres Bundes nur nach den nach außen hin erkennbaren Ereignissen und der zahlenmäßigen Beteiligung daran zu beurteilen, machen sich kein Bild davon, wie viele Kontakte, Besuche oder gemeinsame Unternehmungen Sigfriden mit Sigfriden außerhalb der offiziellen Veranstaltungen haben und wie stark die freundschaftlichen Bande untereinander im privaten wie auch gelegentlich im beruflichen Umfeld sind.
Das ist es, was unsere „amicitia“ ausmacht: Der von einer gemeinsamen geistigen Haltung getragene Umgang miteinander, die Tatsache, „eines Freundes Freund“ zu sein. Das schließt nicht aus, dass es selbstverständlich auch einmal zu Meinungsverschiedenheiten kommt, aber diese werden dann fair, sachlich und demokratisch ausgeräumt - oder bleiben ungünstigstenfalls bestehen, dann aber mit Respekt vor der abweichenden Meinung des Gegenüber.

Dieser Umgang miteinander entspricht schließlich auch unserem christlichen Wertekanon, der allen Sigfriden zu eigen ist. Meine Damen und Herren, wir nennen uns „Katholische Burschenschaft“. Grundlage unseres Handelns sind die Lehren der katholischen Kirche. Dies aber nicht in einem apodiktischen Sinne, sondern im Geiste der Ökumene. Schon seit Mitte der 70er Jahre hat sich Sigfridia auch den evangelischen Christen geöffnet und diese als Bundesbrüder in unsere Korporation aufgenommen, was sich als ausgesprochen positiv und belebend herausgestellt hat. Das, was Herr Stadtdechant Wilfried Schumacher gestern so zutreffend in seiner Festpredigt zum Fronleichnamstag mit dem Thema Wandel und Verwandlung angesprochen hat, das hat Sigfridia zumindest in diesem Punkte also schon vollzogen. Auch wenn wir in gewisser Weise eine von starken Traditionen determinierte Verbindung sind - wir müssen und wollen uns wandeln und mit der Zeit gehen, ohne dabei unsere Grundwerte und Überzeugungen über Bord zu werfen. Das ist unsere tägliche Herausforderung - den schmalen Grad zwischen Traditionalismus und Moderne immer wieder neu zu definieren und zu finden.

In den letzten 100 Jahren ist uns das offenbar gelungen. Dass es uns auch weiterhin gelingen möge zu Beginn des 2. Jahrhunderts unseres Bestehens, das ist meine Hoffnung und mein Wunsch. In diesem Sinne wünsche ich unserer Korporation und jedem einzelnen ihrer Mitglieder, deren Angehörigen und allen Kartell- und Farbenbrüdern aus der Kraft der Vergangenheit eine glückliche Zukunft und schließe mit einem herzlichen

VIVAT CRESCAT FLOREAT SIGFRIDIA AD MULTOS ANNOS